Buchtitel: Vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland?
Bei einem Zuwachs der Ausländerbevölkerung um 650.000 in drei Jahren (1979-1981) detektiert Bade eine soziale Segregation in deutschen Städten. Den größten Anteil stellte dabei die türkische Bevölkerung. Außerdem wächst diese Gruppe auf Grund ihrer hohen Geburtenrate am stärksten. Diese Situation kommentierte der SPD-Kommunalexperte M. Neuffer mit der Aussage: „Diese Verlagerung des türkischen Bevölkerungswachstums in die Bundesrepublik ist, mit Verlaub gesagt, ein gemeingefährlicher Unfug.“
Bade stellt fest, dass deutsche Schulen und ihre Lehrkräfte bei diesem Ausländerandrang ihrem Auftrag nicht gewachsen seien, ebenso wenig, wie die ausländischen Schüler den schulischen Anforderungen. Besonders betroffen auch hier türkische Kinder „wegen der weiten Distanz in religiös-sozialem Normengefüge und Lebensformen zwischen der von den Eltern zumeist strikt verteidigten Welt der Herkunftsgesellschaft und derjenigen der Aufnahmegesellschaft.“ Während die Kinder der vergleichsweise leicht zu integrierenden Portugiesen, Spanier, Italiener oder Jugoslawen sogar häufiger auf weiterführende Schulen überwechseln als gleichaltrige deutsche mit vergleichbarer Soziallage, erreicht nur etwa die Hälfte der türkischen Kinder einen Schulabschluss.
Nur 6,7% der Türken strebten eine deutsche Staatsbürgerschaft an. „Die Türken wollen in der Bundesrepublik leben wie in der Türkei, nur besser!“
Bade zitiert Heckmann: „Dramatische oder kontinuierlich fortschreitende Verschärfungen der ökonomischen und politischen Lage . . . können zu Maßnahmen gegen die Gastarbeiterbevölkerung führen, . . .“ Es formiere und verdichte sich eine ‚Anti-Ausländer-Bewegung‘ in meist rechtsgerichteten Gruppen. Dabei zeigen Untersuchungen, dass, je mehr Kontakte zwischen Deutschen und Ausländern bestehen, umso positiver die Meinung sei.
Integration könnte das Ausländerproblem also reduzieren, wohingegen Segregation das Problem verstärkt. Da Bade eine Zunahme der Segregation beobachtet verwundert seine Schlussfolgerung nicht: „Indes scheint [die] Ausländerfrage den Charakter eines sozialen Minenfeldes von ungeahnten Dimensionen anzunehmen.“
Klaus J. Bade, in Beiträge zur Zeitgeschichte, Colloquium Verlag Berlin, 1983, ISBN: 3-7678-0586-3, 124 Seiten