Das Buch: Vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland? Deutschland 1880-1980 Klaus J. Bade Berlin: Colloquium-Verlag, 1983 (Beiträge zur Zeitgeschichte; Bd. 12) ISBN 3-7678-0586-3
Bade beschreibt in wissenschaftlicher Form aber gut verständlich das Bestreben von Menschen aus Deutschland auszuwandern beziehungsweise nach Deutschland zu gelangen (um das Wort „einwandern“ nicht bemühen zu müssen). Er diskutiert die Motivation von Menschen ihre Heimat zu verlassen. Dazu gehören wesentlich „Schubwirkungen“ im Auswanderungsland und „Sogwirkungen“ im Zielland.
Im 19. Jahrhundert erlebte Deutschland drei Auswanderungswellen und war ein typisches Auswanderungsland. Die wichtigste Antriebskraft war das Missverhältnis zwischen Wachstum von Bevölkerung und Erwerbsangebot. Die Wanderungen gliedern sich in eine Binnenwanderung, Landflucht und eine Massenauswanderung, „die deutliche Züge eines Exports der Sozialen Frage trug.“
Das bedeutet, dass im 19. Jahrhundert Deutschland Teile seiner sozialen Probleme ins Ausland auslagerte.
Im 20. Jahrhundert drehte sich die Situation. Im Folge der industriellen Revolution nahm die Zahl der Arbeitsplätze in der Industrie stark zu. Arbeitskräfte verließen die Landwirtschaft und nahmen Arbeit in der Industrie an. Im Gefolge dieser Binnenwanderung kam es zur so genannten „Leutenot“ auf dem Land. Um die fehlenden Arbeitskräfte zu kompensieren wurden Wanderarbeiter aus dem Ausland geholt. Die Wanderarbeiter unterlagen starken Restriktionen, weshalb sie immer wieder saisonal bedingt zurück in ihr Heimatland zogen, um in der nächsten Saison wieder einzuwandern. Die Wanderarbeiter stellten damit einen Puffer dar: Zum einen leisteten sie die Landarbeit, wenn es notwendig war. Zum anderen schonten sie die deutschen Sozialausgaben, da sie zu Zeiten von geringem Arbeitsangebot wieder in ihr Heimatland reisten. Dennoch profitierten die Wanderarbeiter, da es ihnen besser ging als im Heimatland gar keine Arbeit zu haben.
Diese Situation hatte auch positive Auswirkungen auf die einheimische Bevölkerung: Sie ermöglichte einen sozialen Aufstieg. Außerdem nahmen die Wanderarbeiter der einheimischen Bevölkerung keine Arbeitsplätze weg, da die Einheimischen diese Art der Tätigkeit nicht ausüben wollten und genügend Arbeit in der Industrie fanden. Bade belegt in seinem Buch klar, dass die zugewanderten Arbeiter keine Konkurrenz für die Einheimischen auf dem Arbeitsmarkt darstellten.
An der Situation, dass mehr Menschen nach Deutschland ein als auswanderten, änderte sich im 20. Jahrhunderts nichts.
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Klaus J. Bade, in Beiträge zur Zeitgeschichte, Colloquium Verlag Berlin, 1983, ISBN: 3-7678-0586-3, 124 Seiten