In den letzten Tagen mehren sich die Stimmen, die uns sagen, wir stehen vor einer zweiten Welle oder sind schon mittendrin.

Ich behaupte: Die aktuelle „Welle“, also die aktuelle Zunahme der Zahl der Infizierten pro Tag ist eine reine „Testwelle“. Damit nimmt nicht die Zahl der Infizierten zu sondern die Zahl der Tests. Das bedeutet zum einen, dass mehr Infizierte gefunden werden obwohl in der Summe gar nicht mehr gibt. Zum anderen greift der Effekt der geringen Prävalenz: Die Tests sind nicht zu 100% korrekt. Es werden also Personen als infiziert detektiert obwohl sie es gar nicht sind. Dieser Effekt tritt um stärker zu Tage je weniger Infizierte es gibt.

Im Gegensatz zu den falsch positiv detektierten Covid-19 Infizierten gibt es aber, so makaber das nun klingen mag, keine falsch tot detektierten – tot ist tot. Falsch Covid-19 infiziert bedeutet, dass die Personen wahrscheinlich gar nicht zeitnah sterben und wenn, dann nicht an Covid-19.

Analyse

Daher vergleiche ich im Folgenden den Verlauf der Zahl der Neuinfizierten pro Tag mit dem Verlauf der an Covid-19 Verstorbenen pro Tag. Die Zahlen sind jeweils als gleitendes Mittel über sieben Tage dargestellt. Außerdem sind die Zahlen normiert auf das jeweilige Maximum, damit die Kurven besser miteinander vergleichbar sind. Ebenso ist der Verlauf der Tests pro Woche als normierte Werte dargestellt ohne Berechnung eines gleitenden Mittels.

Die rote Kurve zeigt den Verlauf für die Toten, die schwarze Kurve für die Infizierten und die grüne Kurve die Zahl der durchgeführten Tests. Zu Beginn der Pandemie verlaufen die schwarze und die rote Kurve in etwa parallel, wobei der Verlauf der Zahl der Toten um etwa zwei Wochen der Zahl der Infizierten hinterherläuft. Ab etwa t_{100} flacht der Verlauf der Zahl der Infizierten stärker ab als das bei den Toten zu beobachten ist. Man könnte also meinen, dass die Zahl der Infizierten langsamer abnimmt als zuvor anzunehmen war. Zeitgleich steigt die Zahl der Tests um etwa 10% an. Vor t_{100} lag der Wert der grünen Kurve grob zwischen 0,6 und 0,7 danach zwischen 0,7 und 0,8. Dann fällt dieser Wert kurz wieder auf 0,6 um danach auf über 0,8 bis zuletzt auf 1 anzusteigen. Ich vermute, dass die Verlangsamung der Abnahme der Zahl der Infizierten auf die Zunahme der Tests um t_{100} zurückzuführen ist.

Die folgende Abbildung zeigt einen vergrößerten Bereich für die Zeit, für die eine zweite Welle vermutet wird. Man erkennt, dass die Zahl der Infizierten um t_{149} deutlich zunimmt, wohingegen der Charakter des Verlaufs der Kurve für die Zahl der Toten unverändert bleibt. Das einzige, was mit der Infiziertenzahl wächst, ist die Zahl der Tests: Eine Testwelle.

Aktuell fallen nur noch 0,6% aller Tests positiv aus (für KW27-29). Das ist verdammt nah an der Zahl der zu erwartenden falsch positiven Testergebnisse. Welche Welle ist zu erwarten, wenn die Zahl der Tests noch stärker zunimmt?

Positiv Getestete erneut testen

Um den Effekt der falsch positiven Testergebnisse zu relativieren, müssten alle positiv Getesteten erneut getestet werden. Sollte es sich bei den aktuell positiv Getesteten tatsächlich um falsch positive Ergebnisse handeln, müsste als Ergebnis wieder etwa 0,6% positiv Getestete festgestellt werden. Sollte dieser Wert deutlich überschritten werden, kann man folgern, dass tatsächlich einige infiziert sind. Geht man allerdings davon aus, dass es sich nicht um falsch positiv Getestete handelt, müsste der zweite Test ein Ergebnis nahe 100% ergeben, abzüglich der falsch negativ Getesteten.

Das wäre doch mal ein netter Versuch: Herr Streeck – wie wär’s?