In der Pressekonferenz vom 08.10.2020 berichten Lothar Wieler, Chef des Robert Koch Instituts, und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn über die aktuelle Lage und sprechen davon, dass die Pandemie auch „ein Charaktertest für uns als Gesellschaft“ sei.
Man gewinnt den Eindruck, wir werden informiert und wissen am Ende – NICHTS. Das ist ernüchternd. Wir „wissen“ nun, dass Herr Wieler sich sehr beunruhigt. AHA. Es sei „möglich, dass wir am Tag 10.000 neue Fälle sehen“. Merkel sprach von bis zu 19.200 (sic, wieso nicht gleich 19834) Fällen täglich. Doch Streeck meint: im Grunde sollte uns das keine Angst machen. Man befürchtet außerdem, dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet. Galt nicht zu Beginn der Pandemie, das Virus ließe sich an Grenzen nicht aufhalten? Nein, wir können das Virus weder kontrollieren noch aufhalten – nur uns. Aber auch Herr Spahn äußerte sich in der Pressekonferenz „sehr besorgt“, besonders die sprunghafte Steigerung von mehr als 4.000 Neuinfektionen an einem Tag (07.10.2020).
Diese Zahlen so dahingeworfen sagen nichts. Muss man wirklich erst Popper (1935) mit seiner Logik der Forschung zitieren und auf die Bedeutung des empirischen Gehalts wissenschaftlicher Studien hinweisen? Ich mach’s kurz: Der empirische Gehalt dieser Zahlen-Aussagen ist gleich null, weil sie keine überprüfbaren Vorhersagen enthalten.
Herr Spahn spricht von einem „sorglosen, ignoranten Verhalten“ der Menschen als wäre das die Ursache. Nein, das ist keine Vorhersage, das ist ein Vorwurf. Vor allem jüngere Menschen würden sich infizieren, „weil sie Party machen wollen, weil sie reisen wollen, weil sie sich für unverletzlich halten . . .“. Diese Aneinanderreihung alleine zeigt das Problem. Ob die jungen Menschen sich für unverletzlich halten oder nicht, spielt keine Rolle. Diese Eigenschaft gehört nicht in diese Aufzählung! Sie wollen aber Partys feiern und reisen weil das nun einmal junge Menschen wollen. Das liegt in unserer Natur. Diesen Drang zu unterdrücken bedeutet ja nahezu „Zöllibat für alle“.
Was erwarten die Politiker? Das wir alle brav ihren Vorschlägen folgen? Zum Vernünftigsein gehört auch, dass man einem Individuum mehr Möglichkeiten, mehr Flexibilität, mehr Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung lässt. Die Politik entwickelt dafür aber zu wenig konstruktive Vorschläge auf der einen Seite. Auf der anderen Seite verbietet sie zu viel.
Daher ist für mich diese „Pandemie kein Charaktertest für die Gesellschaft“, in dem man prüft, wie sie mit dem Virus umgeht. Ich bin der Meinung der Charakter der Gesellschaft zeigt sich viel mehr darin, welche Regierung sie sich gibt. Ein Charaktertest ist die Pandemie aber allemal für die Regierung.