Covid 19 – “Klima” – Prognose – 20.07.2020

Zu Beginn des letzten Beitrags stellte ich die Frage, ob wir in der Corona Pandemie soweit vorangeschritten sind, dass wir auch Extremwerte kennen.
Meine Prognosen habe ich immer mit dem Gedanken verbunden, dass ich nicht davon ausgehe, dass die Prognosen auf Dauer stimmen. Ich verfolge eine ganz einfache Strategie: Die Prognose basiert auf der mathematischen Beschreibung von Zahlen der Vergangenheit. Es ist dabei nicht wichtig zu wissen, welche Ursachen den entsprechenden Zahlen zu Grunde liegen. Es ist wichtig anzunehmen, dass diese Ursachen für einen bestimmten Zeitraum konstant wirken. Beobachtet man dann deutliche Abweichungen von der Prognose, darf man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich an den Ursachen etwas verändert hat. Die Abweichungen aktueller Zahlen von der Vorhersage stellen damit einen guten Sensor dar, Veränderungen frühzeitig zu erkennen.
In der nächsten Zeit versuche ich, Extremwerte besser als solche identifizieren zu können, ganz im Sinne einer Klimabetrachtung. Im letzten Beitrag fragte ich:

Schlägt der Sensor heute wieder aus?

Ich vermutete – ja und erwartete einen ähnlichen Verlauf, wie nach dem Auftreten von Hotspots in der fleischverarbeitenden Industrie. Nun muss man zumindest zwei Fragen stellen: Ist der hohe, nicht geglättete R-Wert von vorgestern vergleichbar mit dem Tönnies-Peak vor vier Wochen? Zum zweiten muss man Fragen, ob der Tönnies-Peak überhaupt als Extremwert betrachtet werden sollte.

Zur Beantwortung der ersten Frage: Aktuell sieht es so aus, dass die Fallzahlen schneller sinken als vor vier Wochen. Allerdings stammen die beiden letzten niedrigen Werte vom Wochenende. Und wir wissen, dass an Wochenenden die Werte im Mittel deutlich niedriger liegen. Wir werden noch etwas abwarten müssen. Weiter unten greife ich wieder meine Prognose zu den Fallzahlen zu den täglichen Neuinfektionen auf, um aus den Abweichungen zu den realen Zahlen Hinweise auf mögliche Änderungen zu bekommen.

Zur Beantwortung der zweiten Frage muss man zuerst versuchen zu definieren, was im Kontext der Covid-19 Pandemie ein Extremwert sein könnte. Nach einer erneuten Betrachtung des Verlaufs des R-Wertes um Tönnies-Peak und den kurzen Ausschlag von vorgestern, komme ich zu dem vorläufigen Schluss, dass es sich in beiden Fällen nicht um Extremwerte handelt. Lokale Ausbrüche können (und müssen) durch lokale Gegenmaßnahmen und verantwortungsvolles Verhalten unserer Gesellschaft unter Kontrolle gebracht werden. Geschieht dies effektiv, kann eine Verbreitung, wie wir sie nach „Ischgl“ und Heinsberg erlebt haben, verhindert werden.

Extrem würde ich hingegen den Verlauf der ersten Welle nennen. Im Folgenden werde ich den Verlauf der ersten Welle mit Tönnies-Peak vergleichen. In den ersten fünf Wochen, zu denen Daten zu Fallzahlen auf den Seiten der John Hopkins Universität publiziert wurden, sind für Deutschland nur kleine R-Werte zu beobachten. Auf Grund der Berechnungsart ist der geglättete R4-Wert sogar größer als der nicht geglättete. Der geglättete R-Wert liegt sechs Tage über 1, der ungeglättete R-Wert erreicht an zwei Tagen genau den Wert 1. Erst an Tag 38 beginnt der R-Wert rasant anzusteigen, um dann erst wieder an Tag 60 unter 2 zu fallen.

Mit dem Auftreten des ersten Covid19 Erkrankten an Tag 6 (27.01.2020) hatte Deutschland also sage und schreibe 31 Tage oder mehr als vier Wochen Zeit zu reagieren. Vier Wochen Zeit, Maßnahmen einzuleiten wie Verbot von Massenveranstaltungen, Maskenpflicht und Hygienemaßnahmen. Wie wir alle wissen, ist das nicht passiert, mit der Folge, dass es bis zum 09.04.2020 (Tag 79) dauerte, bis der geglättete R4-Wert wieder dauerhaft unter 1 fiel.

Als nächstes möchte ich diskutieren, wie die erste Welle ausgesehen hätte, hätten wir so reagiert wie nach dem Auftreten der Hotspots in der fleischverarbeitenden Industrie:

Der Verlauf des nicht-geglätteten R-Wertes schwankt deutlich, in meinen Auswertungen zwischen Werten von etwa 0,25 und 2,6, ohne im weiteren Verlauf Anzeichen eines Klimawandels erkennen zu können. Erst bei Überschreiten eines noch größeren „Schwellenwertes“, einem Wetterextrem, erkennt man Auswirkungen, wie zum Beispiel ein R geglättet von größer 1 über mehrere Tage. Genau dies konnte man beim letzten Hotspot Ausbruch beobachten, wie in der folgenden Abbildung gezeigt. Ich nenne den entsprechenden Punkt „Tönnies Peak“. Lieber Herr Tönnies, ich bitte um Nachsicht. Dieser Wert lag bei knapp über 4, bevor am geglätteten R-Wert etwas signifikantes zu erkennen war. Vor fünf Tagen lag dieser Wert noch bei 2,15; nach meiner Interpretation ist dieser Wert kein Extrem. Doch vor vier Tagen konnte erneut ein Anstieg dieses nicht geglätteten R Wertes auf deutlich über 2,6, nämlich 3,67 beobachtet werden.

Der Sensor schlug aus! Als Folge des Tönnies-Peak stieg auch die Zahl der aktiv Infizierten über 40 % an, von 5.347 auf 7.640. Insgesamt lag der ungeglättete R4-Wert vier Tage über 1,59, um dann wieder für fünf Tage unter 1 zu fallen. Aktuell lag der R4-Wert drei Tage über 1,28. Die Zahl der aktiv Infizierten zeigt seit Ende des Tönnies-Peaks einen Seitwärtstrend.

Trotz des zwar relativen Anstiegs der Zahl der aktiv Infizierten bleibt die Zahl doch um etwa den Faktor 10 unter dem Spitzenwert von 68.918 am 06.04.2020. Oder anders ausgedrückt, es hätte erst gar keine erste Welle – keine Klimakatastrophe – gegeben, wenn die Verhaltensmaßnahmen und Hygieneregeln Mitte Februar eingeführt worden wären.

Prognose

Es sieht so aus, als hätte Deutschland die Lage nun im Griff. Nach meiner Einschätzung aber nur so lange, wie die Maßnahmen anhalten, vor allem Verbot von Massenveranstaltungen und Maskenpflicht. An einen wirklich effektiven Impfstoff – und das ist jetzt nur meine ganz persönliche Einschätzung – glaube ich nicht. Diesen gibt es nur eingeschränkt für die Grippe und für Corona Viren im Allgemeinen forscht man nun schon seit 17 Jahren erfolglos an einem Impfstoff.
Ich setze hier mehr auf die Entwicklung von Medikamenten, die den Krankheitsverlauf eindämmen können.

In den nächsten Tagen werde ich an der Approximation weiter arbeiten, um – unter der Annahme, dass die Maßnahmen nicht aufgehoben werden – abzuschätzen, wie weit die Zahl der Neuinfektionen fallen könnte.

Zahl der aktiv Infizierten

Neben der Entwicklung der Zahl der Neuinfizierten pro Tag sowie des R-Faktors, erscheint mir noch eine andere Größe wichtig: Die Zahl der aktiv Infizierten. Diese ist entscheidend für die Bewertung, ob in den Krankenhäusern genügend Betten zur Verfügung stehen, die kritischen Fälle zu betreuen.

Also auch heute, zum Abschluss, die Darstellung der Zahl der aktiv Infizierten. Die rechte Abbildung verdeutlicht, dass nach einer Periode der Abnahme nun eine Stagnation eintritt.