Covid-19 – exekutive Inkompetenz

Nein, es muss nicht heißen inkompetente Exekutive, da die Inkompetenz tatsächlich durch die Exekutive ausgeführt wird. Und nochmal nein, das klingt nicht nur nach einem Widerspruch in sich, es ist einer!

Bereits 2013 entwickelte das Robert Koch-Institut ein Pandemie-Szenario, wie zum Beispiel von rbb24.de beschrieben. Der Erreger wurde von den Wissenschaftlern in diesem Szenario „Modi-Sars“ genannt. Das Szenario beschreibt die aktuellen Geschehnisse „fast punktgenau“. Zu treffende Gegenmaßnahmen werden in einer Bundestags-Drucksache detailliert gelistet. Wenn der Bundesregierung bereits 2013 bewusst gewesen sein muss, was im Falle einer solchen Pandemie auf uns zukommen könnte, warum ist man dann so schlecht vorbereitet? Eine mögliche Erklärung sind Zusatzkosten, die auf das Gesundheitswesen zugekommen wären. Mit gutem Willen kann man diese Erklärung stehen lassen, solange es sich nur um ein Risiko handelt. Jetzt ist die Pandemie aber da. Das ist kein Risiko mehr, das ist Realität oder reale Gewissheit. Spätestens mit Beginn der ersten Welle hätten die Planungen aufgenommen werden müssen. Doch auch in der zweiten Welle beobachten wir ein Stochern im Nebel. tagesschau.de zitiert Linksfraktionschef Dietmar Bartsch: Er erinnert Frau „Merkel an ihre eigene Aussage, wonach es ein mittelfristiges Konzept brauche gegen die Corona-Krise. Bis heute liege es aber nicht vor. „Jedes Theater hat sich besser auf den Corona-Winter vorbereitet als die Bundesregierung“, kritisiert er.“

Bereits im März wird der Grünenpolitiker von Notz so zitiert: „Getan wurde von der Bundesregierung zu wenig“ und weiter im Artikel von rbb24.de heißt es: „Jetzt sei aber nicht die Zeit zurückzuschauen. Die Krise müsse zuerst bewältigt werden.“ Und dann wieder von Notz: „Aber wenn das gelungen ist, müssen wir einen Blick zurück werfen, damit wir zukünftig nicht noch einmal so auf dem falschen Bein erwischt werden.“ Die hier genannten Zitate stammen vom 31.03.2020! Kann man heute davon sprechen, dass wir in der zweiten Welle erneut auf dem falschen Bein erwischt wurden? Es sieht ganz danach aus.

Die Erkenntnisse aus dem Pandemie-Szenario von 2013 wurden im Nationalen Pandemieplan aufgegriffen – datiert auf März 2017 – also drei Jahre vor der ersten Sars-Cov-2 Welle. Darin geht es auch um Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime. Es heißt unter anderem, „Senioren zählen bei der saisonalen Influenza zu den so genannten Risikogruppen, bei denen in verstärktem Maße Komplikationen wie schwere Lungenentzündungen auftreten. . . . Vor diesem Hintergrund kommt der Vorbereitung von Altenheimen und Altenpflegeheimen auf eine Influenzapandemie eine große Bedeutung zu.“ Was lesen wir dazu in der Braunschweiger Zeitung vom 05.11.2020: „Seit April starben 343 Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen mit Corona . . . Das waren knapp 45 Prozent der Corona-Todesfälle in Niedersachsen.“ Die Süddeutsche berichtet: „Jüngste Meldungen aus deutschen Pflegeheimen: Im niedersächsischen Melle wurden 50 von insgesamt 75 Bewohnern positiv auf Corona getestet, in Neckargmünd bei Heidelberg waren es 67 von 91 Bewohnern. In einer Einrichtung im bayerischen Großwallstadt 39 von 41 Bewohnern, acht davon sind verstorben. In Berlin-Lichtenberg starben 15 Bewohner eines Pflegeheims, nachdem ein Corona-Ausbruch seit Anfang Oktober nicht unter Kontrolle zu bringen war.“ Das klingt nicht nach einer guten Vorbereitung.

Frau Merkel sprach sich Ende Oktober dagegen aus, „in der Corona-Pandemie alte Menschen zu ihrem eigenen Schutz zu isolieren.“ Lindner fordert am 26.11.2020 im Bundestag, den Fokus auf Risikogruppen zu legen, doch Merkel sieht das anders: „Es sei ethisch nicht vertretbar, 27 Millionen Menschen zu isolieren.“ Der bereits weiter oben zitierten Pandemieplan von 2017 sieht hingegen konkrete Planungshilfen für Altenheime und Altenpflegeheime vor, die genau das fordern: Eine Isolierung zum Beispiel durch Unterbringung „möglichst im Einzelzimmer mit Nasszelle“ oder „Einschränken von Gemeinschaftsaktivitäten“. Frau Merkel findet also heute ethisch nicht vertretbar was 2017 Eingang in den nationalen Pandemieplan gefunden hat. Lieber wirft man eine riesengroße Zahl in den Raum, 27 Millionen Menschen, ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands. Vor lauter Wald sieht man da offensichtlich die Bäume nicht, vergisst bei all dem Risiko, dass in Alten- und Pflegeheimen auch Risikogruppen leben und nimmt so billigend in Kauf, dass viele Tote genau in diesen Einrichtungen zu beklagen sind.

Alternative Vorschläge zum aktuellen Lockdown, die von Experten vorgelegt wurden und die gerade die Risikogruppen im Fokus haben, werden nicht gehört. Die Ärztezeitung schreibt dazu: „Für die Autoren ist unstrittig, dass der Schutz von Risikogruppen im weiteren Verlauf der Pandemie ganz oben stehen müsse.“ Der Weser-Kurier schreibt in diesem Zusammenhang: „Und die Politikerin Merkel hat in ihrer Regierungserklärung dann das gemacht, was sie immer macht, wenn es um ein großes, heikles Thema geht: Die Lösung wird als alternativlos dargestellt.“ In dem von der Ärztezeitung publizierten Beitrag gehen die alternativen Exporten sogar noch weiter und damit Frau Merkel entgegen: „Eine erneute Isolation der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen dürfe daraus aber nicht entstehen“. Und dann folgen Vorschläge, wie man Risikogruppen in Heimen und Krankenhäusern schützen kann.

Wie lange, frage ich mich, wollen wir als Gesellschaft diese exekutiv gelebte Inkompetenz noch als alternativlos akzeptieren?

Update 30.11.2020

Am 29.11.2020 veröffentlichte ich diese Seite und unterstellte der Exekutive Inkompetenz im Umgang mit der Pandemie. Am 30.11.2020 wird bei Stern.de unser Gesundheitsminister Jens Spahn mit den Worten zitiert „Diese Pandemie lehrt uns, dass wir mehr vorsorgen müssen“. Gerade der Gesundheitsminister steht an der vordersten Front, wenn es um Strategien im Gesundheitswesen geht. Im Februar und März warnte er noch vor Panikmache und Hysterie. Weist auf Besonnenheit hin und Vorsorgemaßnahmen wie Händewaschen und desinfizieren. Jedoch „den Karneval wegen der Ausbreitung des Coronavirus’ absagen, das wäre Spahn zu weit gegangen.“ Dabei sieht bereits der nationale Pandemieplan von 2017 eine Beschränkung beziehungsweise ein Verbot von Veranstaltungen und Großereignissen vor (Nationaler Pandemieplan Teil I, S. 29). Wie weiter oben schon erwähnt, kann ich nicht erkennen, dass die Exekutive aus der ersten Welle etwas gelernt hätte und sich stärker um Vorsorge bemüht. Alte und Schwache werden nicht ausreichend geschützt; viele von ihnen sterben. Der Rest der Bevölkerung sieht sich dennoch drastischen Einschränkungen von Grundrechten ausgesetzt.

Dass die aktuellen drastischen Maßnahmen des zweiten Lockdowns in diesem Jahr den Risikogruppen helfen, kann ich nicht erkennen. Doch Frau Merkel hält eine spezifische Ausrichtung der Maßnahmen für Risikogruppen nicht für möglich. Man kann ja förmlich kaum anders als diese Einstellung für zynisch zu halten. Von wegen, Frau Merkel, Sie halten das vielleicht nicht für möglich – aber – WIR schaffen das.

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