Es wirkt schon fast wie ein Zumutung, was uns das Robert Koch-Institut an Daten präsentiert. Infektionen verlaufen in aller Regel in Form einer Gauß’schen Glockenkurve. Dies im Besonderen dann, wenn keine Eingriffe vorgenommen werden. Wir nehmen Eingriffe vor. Einmal durch freiwillige Änderung unseres Verhaltensmusters (AHA-Verhaltensregeln) oder durch erzwungene Maßnahmen, wie einem Lockdown. Aber neben diesen „biologischen“ Parametern wurden auch Veränderungen bezüglich der Datenerhebung sowie der Regeln zur Datenerfassung. So manipuliert zum Beispiel das RKI die Zahl täglicher Neuinfektionen durch so genannte „Imputation“ und das „Nowcasting“. Außerdem werden die Kriterien verändert, die sich auf die Auswahl der zu testenden Personen auswirkt (zuletzt am Tag nach dem Lockdown, 03.11.2020) sowie die Anzahl der Tests pro Woche. Andere wichtige Parameter, wie zum Beispiel der ct Wert für PCR Tests werden gar nicht erst angegeben. Das Ergebnis ist ein sehr merkwürdiger Verlauf der Infektionszahlen wie in der folgenden Abbildung gezeigt.
Die auf diese Art erhaltenen Daten werden vom RKI ohne weitere Bewertung veröffentlicht und von der Politik als Maßstab (sic, Inzidenz: 50 Neuinfektionen pro hunderttausend Einwohner und Woche) verwendet um so weitreichende Beschlüsse wie einen landesweiten Lockdown zu fassen. Was sagt dem naiven Betrachter die oben dargestellte Kurve:
- das Maximum der ersten Welle betrug circa ein Viertel der zweiten Welle
- der Lockdown mit Start am 02.11.2020 (t_{286}) hat einen leicht positiven Effekt
- ab t_{316} (02.12.2020) beobachtet man einen weiteren steilen Anstieg, eine Welle in der Welle
- der Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen pro hunderttausend Einwohner und Woche ist um mehr als das dreifache überschritten
Eine etwas weniger naive Betrachtung berücksichtigt die Zahl durchgeführter Tests. In der folgenden Abbildung ist die Anzahl der durchgeführten Tests als grüne Kurve dargestellt. Die Werte sind normiert, so dass das Maximum der Tests als 100 erscheint. Das Testmaximum wird in der Woche unmittelbar vor dem zweiten Lockdown erreicht. Die schwarze Kurve entspricht der Kurve aus der ersten Abbildung. Die rote Kurve zeigt die Zahl der Neuinfektionen pro hunderttausend und Woche normiert auf die Anzahl der durchgeführten Tests.
Welche Schlüsse kann man aus dieser weniger naiven Betrachtung ziehen:
- das Maximum der zweiten Welle ist um gut 15 % größer als des der ersten (und nicht 300 %)
- nach dem zweiten Lockdown sinken die Infektionszahlen nicht
- der aktuelle, auf Testzahlen umgerechnete, Inzidenzwert ist um circa 15 % größer als der vom RKI publizierte
- die Auswirkungen der veränderten Kriterien zur Auswahl zu testender Personen kann aus der Kurve nicht ermittelt werden
Alleine die Umrechnung der Zahl der Infizierten in Bezug auf die Zahl durchgeführter Tests erzeugt ein ganz anderes Bild, wenn man zum Beispiel nur erste und zweite Welle vergleicht, einmal an Hand der schwarzen und einmal an Hand der roten Kurve. Im ersten Fall erscheint die zweite Welle etwa viermal so groß, im zweiten Fall nahezu gleich groß wie die erste Welle.
Kurz und gut: der so genannte Inzidenzwert ist nicht aussagekräftig und damit unbrauchbar. Dieser wird von der Politik aber als der Gradmesser verwendet, um einen Lockdown zu beschließen. Will man verantwortungsvoll handeln, muss man belastbarere Werte verwenden. Der Verlauf der Anzahl an Toten pro hunderttausend und Woche wäre ein erster Vorschlag. So haben zum Beispiel die Testkriterien zur Auswahl der zu testenden Personen keinen Einfluss auf die Zahl der Toten, ebenso wenig die Zahl durchgeführter Tests. Allerdings besteht eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Unterscheidung zwischen an oder mit Corona gestorben zu sein. Dennoch wird im folgenden der Verlauf der Zahl der Toten genauer betrachtet.
Es konnte gezeigt werden, dass der Verlauf der Zahl täglicher Neuinfektionen mit einer modifizierten Gauß’schen Glockenfunktion näherungsweise beschrieben werden kann. Ähnlich kann nun auch der Verlauf der Toten pro hunderttausend und Woche mit einer modifizierten Gauß’schen Glockenfunktion beschrieben werden. Dies ist in der folgenden Abbildung für die erste Welle gezeigt. Die rote, durchgezogene Linie zeigt die modifizierte Gauß’sche Glockenfunktion. Die schwarze Kurve zeigt die Zahl der Toten pro hunderttausend und Woche als gleitendes 7-Tage-Mittel der vom RKI publizierten Werte. Die rote Kurve beschreibt den realen Verlauf nahezu perfekt. Ausnahme ist der Teil vor Beginn der ersten Welle. Da das Corona-Virus neu war, konnten vor Beginn der Pandemie keine Todesfälle auf Grund dieses Virus festgestellt werden. Die rote, gestrichelte Linie zeigt den Verlauf einer nicht-modifizierten Gauß’schen Glockenfunktion. Man erkennt, dass diese den Verlauf der realen Werte nicht so gut beschreibt. Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, dass auch der Verlauf der Toten genau so über eine modifizierte Gauß’sche Glockenfunktion beschrieben werden kann, wie der Verlauf der Zahl täglicher Neuinfektionen. Diese Erkenntnis wird im Folgenden für zwei Betrachtugnen verwendet. Zum einen, wird der Verlauf der Zahl an Neuinfektionen mit dem Verlauf der Toten jeweils als pro hunderttausend und Woche miteinander verglichen. Zum Vergleich wird die jeweilige Gauß’sche Glockenfunktion verwendet. Zum zweiten wird angenommen, dass auch die zweite Welle mit einer modifizierten Gauß’schen Glockenfunktion beschrieben werden kann.
Die folgende Abbildung zeigt den Vergleich der beiden Gauß’schen Glockenkurven (Infizierte/Tote) der ersten Welle. Die Kurven sind auf ihr jeweiliges Maximum normiert, um die Kurven besser vergleichen zu können. Die durchgezogene Linie zeigt den approximierten Verlauf der Zahl an Infizierten, die gestrichelte Linie zeigt den approximierten Verlauf der Toten. Die Kurven ähneln sich stark. Der zeitliche Versatz ist über den gesamten Y-Bereich recht konstant mit einem Mittelwert von 17,62 \pm 0,36 Tagen. Der minimale Abstand beträgt 17,1 Tage für den 10% Wert (Y=0,1). Der maximale Abstand beträgt 18,3 Tage für den 80% Wert (Y=0,8).
Die gleiche Analyse wird nun für die zweite Welle durchgeführt. Es wird unterstellt, dass der biologische Prozess, der von einer Infektion zum Tod führt, zwischen erster und zweiter Welle unverändert ist. Der Verlauf der der Zahl der Neuinfektionen ist merkwürdig, wie in den ersten beiden Abbildungen gezeigt. Ebenso merkwürdig mutet die Approximation einer modifizierten Gauß’schen Glockenfunktion an.
Die folgende Abbildung zeigt den Vergleich der beiden Gauß’schen Glockenkurven (Infizierte/Tote) der zweiten Welle. Die Kurven sind auf ihr jeweiliges Maximum normiert, um die Kurven besser vergleichen zu können. Die durchgezogene Linie zeigt den approximierten Verlauf der Zahl an Infizierten, die gestrichelte Linie zeigt den approximierten Verlauf der Zahl der Toten. Der zeitliche Versatz verändert sich über den Y-Bereich. Vor allem gegen das Maximum rückt die Kurve der Infizierten immer nächer an die der Toten. Der Mittelwert des Abstands der beiden Kurven liegt bei 21,78 \pm 10,2 Tagen. Der minimale Abstand beträgt -1,2 Tage für den 100% Wert (Y=1). Der maximale Abstand beträgt 28,1 Tage für den 50% Wert (Y=0,5).
Diese Betrachtung für die zweite Welle wird wiederholt werden müssen, wenn das Maximum deutlich erkennbar überschritten ist. Es aber bereits jetzt zumindest qualitativ klar, dass der Verlauf der Zahl an Neuinfektionen sehr merkwürdig ist. Der Unterschied im Abstand Infizierte versus Tote bis zum Erreichen des 70% Niveaus ist signifikant größer als in der ersten Welle. Dies kann mit veränderten Testverhalten (Kriterien, Anzahl Tests) erklärt werden. Danach nimmt der Abstand stark ab um gegen das Maximum sogar negativ zu werden. Dies ist offensichtlich falsch und lässt auf fehlerhafte Datenerfassung schließen. Es besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass das Virus mutiert ist, der Art, dass es etwas langsamer zum Tod führt.
Schlussfolgerung
Der Verlauf der Zahl der Neuinfektionen pro hunderttausend und Woche in der zweiten Welle ist sehr merkwürdig. Die Schwankungen beziehungsweise Abweichungen von einem glockenförmigen Verlauf sind groß. Vor allem die Veränderung im zeitlichen Abstand der Kurve der Infizierten zur Kurve der Toten mit Erreichen des Maximums lässt sich biologisch schwer erklären. Erst recht nicht zu erklären ist, dass der Abstand negativ wird. Dies würde bedeuten, dass der Tod vor der Infektion eintritt, was offensichtlich unsinnig ist.
Politische Entscheidungen zu einem wesentlichen Teil durch einen Inzidenzwert zu begründen, der so unzuverlässig ist, wie der Inzidenzwert für Neuinfektionen pro hunderttausend und Woche ist mit dem Begriff Verantwortung nicht in Einklang zu bringen. Die Exekutive ist aufgefordert Begründungen zu liefern, die wissenschaftlichen, kritisch-rationalen Maßstäben genügen. Ein weiteres Beharren auf diesem Inzidenzwert manifestierte nur die schon früher konstatierte exekutive Inkompetenz.